Hilfsmittel zur Verschreibung von Antibiotika

Bei der Verschreibung von Antibiotika im ambulanten Bereich besteht noch Verbesserungspotenzial. Im Rahmen der Strategie Antibiotikaresistenzen (StAR) wurden hierfür verschiedene Hilfsmittel für Ärztinnen und Ärzte entwickelt.

Die Erkenntnis ist nicht neu: Werden Antibiotika sparsam und sachgemäss eingesetzt, verlangsamt das die Resistenzentwicklung und ermöglicht so den langfristigen Erhalt ihrer Wirksamkeit. Die Daten aus der systematischen Überwachung der Antibiotikaresistenzen durch ANRESIS zeigen: Bei einigen gefährlichen Erregern hat der Anteil der antibiotikaresistenten Keime in den letzten 15 Jahren schweizweit zugenommen. Hauptgrund ist der häufige und zum Teil unsachgemässe Einsatz von Antibiotika weltweit. Die Wirksamkeit von Therapien wird dadurch vermindert – ein zunehmendes Problem für die öffentliche Gesundheit.

Auf gutem Weg – mit Luft nach oben
In der Humanmedizin werden heute rund 85 Prozent der Antibiotika im ambulanten Bereich verschrieben. Die Schweiz hat einen vergleichsweise geringen Antibiotika-Gesamtverbrauch (Abbildung 1). Zwischen den Sprachregionen bestehen jedoch Unterschiede: In der italienisch- und französischsprachigen Schweiz werden mehr Antibiotika verschrieben als in der Deutschschweiz.

Abbildung 1_Antibiotikaverbrauch
Abbildung 1: Antibiotikaverbrauch im ambulanten Bereich in verschiedenen europäischen Ländern und den Sprachregionen der Schweiz 2019.
DDD = Defined Daily Doses (definierte Antibiotika-Tagesdosen).
Quellen: European Center for Disease Control / IQVIA-Verkaufsdaten für die Schweiz (Swiss Antibiotic Resistance Report 2020).

Dass auch bei der Wahl der Antibiotika noch Optimierungspotenzial besteht, zeigen die Daten zum Antibiotikaverbrauch des Schweizerischen Apothekerverbandes pharmaSuisse und aus dem Sentinella-Meldesystem.

Antibiotika mit problematischem Profil
Bei Kindern betreffen etwa 80 Prozent der Antibiotikaverschreibungen Infektionen der Atemwege. Nicht immer werden dafür die empfohlenen (einfachen) Penicilline oder Aminopenicilline eingesetzt. Noch zu häufig werden für die Therapie Makrolide verschrieben. Diese haben ein problematisches Profil für die Selektion von Resistenzen.
Über alle Altersbereiche gesehen ist der hohe Einsatz von Fluorchinolonen problematisch (Abbildung 2). Diese werden noch immer bei mehr als 20 Prozent aller Harnwegsinfektionen verschrieben, obwohl die klinische Evidenz dagegenspricht. Auch bei akuter Bronchitis, der häufigsten Form von Infektionen der unteren Atemwege, werden entgegen der Verschreibungsrichtlinien noch immer Antibiotika eingesetzt.  

Verschreibung Hausärzte
Abbildung 2: Anteil verschiedener Wirkstoffklassen an den Antibiotikaverschreibungen bei Hausärztinnen und -ärzten für die wichtigsten Indikationen. Analyse der Daten zu Antibiotikaverschreibungen des BAG Sentinella Meldesystems.
Quelle: Swiss Antibiotic Resistance Report 2020

Ärzteschaft zielgerichtet informieren
Um Ärztinnen und Ärzte auf die häufigsten Ursachen für unsachgemässe Antibiotikaverschreibungen aufmerksam zu machen, hat das Bundesamt für Gesundheit im Rahmen der StAR zusammen mit Fachgesellschaften und weiteren Akteuren verschiedene Hilfsmittel zum sachgemässen Antibiotikaeinsatz erstellt. Dazu gehören die Verschreibungsrichtlinien, aktuelle Resistenzdaten der Applikation INFECT, Entscheidungshilfen zur Antibiotikaabgabe sowie Faktenblätter für Patientinnen und Patienten. Grundlage für die zielgerichtete Information der Ärzteschaft bilden die Daten aus der Überwachung von Antibiotikaverbrauch und -verschreibungen.  

Hilfsmittel zur korrekten Antibiotikavergabe
Die Strategie Antibiotikaresistenzen (StAR) hat zum Ziel, die sachgemässe Verschreibung in der Schweiz zu fördern, um die Wirksamkeit der Antibiotika in der Human- und Veterinärmedizin zu erhalten. Im Rahmen von StAR hat das BAG zusammen mit verschiedenen Fachgesellschaften und weiteren Akteuren verschiedene Hilfsmittel für Grundversorgerinnen und Grundversorger zum sachgemässen Antibiotikaeinsatz erstellt.

Handydisplay mit Verschreibungsrichtlinien

Verschreibungsrichtlinien: Die Schweizerische Gesellschaft für Infektiologie (SSI) erarbeitet und publiziert regelmässig Richtlinien, die es den Ärztinnen und Ärzten erlauben, gemäss dem aktuellsten Wissensstand den Antibiotikaeinsatz zu optimieren. Sie sind abrufbar unter folgendem Link: ssi.guidelines.ch. Die Nutzerinnen und Nutzer haben die Möglichkeit, über eine Kommentarfunktion Vorschläge einzubringen oder Fragen zu stellen und die Richtlinien so weiter zu verbessern.

Applikation INFECT

Aktuelle Resistenzdaten und Richtlinien auf INFECT: Mit der Applikation INFECT des Schweizerischen Zentrums für Antibiotikaresistenzen ANRESIS werden die aktuellen Resistenzdaten übersichtlich und intuitiv angezeigt. Damit wird unter anderem ein auf die lokale Resistenzlage abgestimmter Einsatz von Antibiotika unterstützt. Darin enthalten sind auch die Guidelines der SSI. INFECT ist abrufbar unter infect.info und steht als App für Android und iOS zur Verfügung. Unter anresis.ch finden Sie zudem allgemeine Informationen und aktuelle Trends.

Faktenblatt Antibiotikaresistenzen für Patientinnen und Patienten

Faktenblatt Antibiotikaresistenzen für Patientinnen und Patienten: Das von FMH, pharmaSuisse und BAG erstellte Faktenblatt enthält einfach verständliche Informationen und Empfehlungen rund um die Antibiotikaeinnahme sowie Gründe, warum bei gewissen Infektionen kein Antibiotikum notwendig ist. Es enthält auch allgemeine Informationen über Antibiotika und Antibiotikaresistenzen. Das Faktenblatt ist in elf Sprachen erhältlich und kann im Rahmen eines Beratungsgesprächs verwendet werden. Das Faktenblatt und seine Begleitprodukte (Erklärungsfilm, Poster) sind kostenlos bestellbar auf antibiotika-richtig-einsetzen.ch.

Entscheidungshilfe für Ärzte und Patienten

Entscheidungshilfen Antibiotikavergabe für Praxis und Qualitätszirkel: Das Berner Institut für Hausarztmedizin BIHAM hat drei evidenzbasierte Ärzteinformationen und Entscheidungshilfen erstellt, die Hausärztinnen und Hausärzte und ihre Patientinnen und Patienten bei der partizipativen Entscheidungsfindung bezüglich Antibiotikavergabe unterstützen. Einfach verständliche Grafiken zeigen die Vor- und Nachteile einer Therapie mit und ohne Antibiotika für Tonsillopharyngitis, Otitis Media beim Kind und den unkomplizierten Harnwegsinfekt der Frau. Die Hilfen eignen sich auch optimal als Denkanstoss und Trainingshilfe in Qualitätszirkeln. Sie sind abrufbar unter biham.unibe.ch/entscheidhilfen.

Letzte Änderung 11.09.2023

Zum Seitenanfang

Applikation INFECT
https://www.star.admin.ch/content/star/de/home/newsundaktuelles/Newsletter-Beitraege/hilfsmittel-zur-verschreibung-von-antibiotika.html