Interview mit Anne Lévy, Direktorin des Bundesamtes für Gesundheit (BAG)

Anne Lévy, wie lautet Ihr Fazit nach knapp einem Jahr im Amt?
Mein Amt als Direktorin habe ich im Oktober 2020 – also mitten in der Covid-19-Pandemie – angetreten. Die volatile und hochdynamische Situation ist für meine Mitarbeitenden und für mich nach wie vor immer noch sehr fordernd. Wir haben lange und arbeitsreiche Tage, und die epidemische Situation verändert sich ständig. Als ich anfing, waren viele Mitarbeitende bereits seit Monaten ohne Pause und ohne freie Wochenende mit der Bewältigung der Krise beschäftigt. Im Herbst letzten Jahres wurde absehbar, dass die Pandemie noch länger andauern würde. Deshalb schafften wir nachhaltigere Organisationsstrukturen und stärkten das Management der Krisenorganisation. Die Arbeitslast wurden in diesem Zuge besser verteilt, und die Prozesse optimiert. Auch im Bereich der Digitalisierung konnten wir mit Projekten wie dem Covid-19-Dashboard oder dem Covid-Zertifikat zukunftsweisende Grundlagen für die digitale Transformation schaffen. Natürlich wünschen wir uns, wie alle Menschen, eine Rückkehr zum normalen Arbeitsalltag. Schliesslich arbeitet das BAG in weitaus mehr Bereichen der öffentlichen Gesundheit, als nur in der Pandemiebekämpfung.

Welche Bedeutung hat die Strategie StAR für Sie und für das Amt? Wie ist der Bezug dazu?
Als Verfechterin von «One Health» – eine Gesundheit – hat die Strategie StAR eine wichtige Bedeutung für mich und für das BAG. Sie ist ein erster erfolgreicher Schritt in der interdisziplinären Prävention in der Schweiz. Die bereichsübergreifende Strategie setzen wir als federführendes Amt seit 2016 in enger Zusammenarbeit mit den Bundesämtern für Lebensmittelsicherheit und Veterinärwesen (BLV), Landwirtschaft (BLW) und Umwelt (BAFU) sowie der Schweizerischen Konferenz der kantonalen Gesundheitsdirektorinnen und -direktoren (GDK) und vielen weiteren Akteuren um. Wenn wir die Entstehung neuer Antibiotikaresistenzen verhindern und deren Übertragung und Verbreitung einschränken wollen, sind der interdisziplinäre Austausch, gemeinsame Ziele, die bereichsübergreifende Kooperation und die Nutzung von Synergien notwendig. Gute Beispiele, wie dies bereits heute gelebt wird, sind die Informationskampagne zur Strategie StAR oder die Antibiotikarückgabeaktion vom Herbst 2019. Letztere führte der Bund gemeinsam mit dem Apothekerverband pharmaSuisse, dem Ärzteverband FMH, der Zahnärzte-Gesellschaft SSO und der Gesellschaft Schweizer Tierärztinnen und Tierärzte GST durch.

Wie hat Covid-19 Ihre Arbeit beeinflusst?
Die Pandemie ist seit meinem ersten Tag am BAG die wichtigste Angelegenheit. Dennoch bearbeiten wir natürlich auch andere Themen, wie zum Beispiel die anlaufende Umsetzung der gesundheitspolitischen Strategie «Gesundheit2030» oder die aktuellen politischen Geschäfte wie die Kostendämpfungspakete oder das Tabakproduktegesetz.
Trotz des grossen Leids, das die Pandemie uns allen bringt, wirkt sie auf gewisse Themenfelder auch beschleunigend. In der Krisenbewältigung haben wir die Erfahrung gemacht, dass sehr schnell Fortschritte erzielt werden können. Diesen Schwung will ich unbedingt mitnehmen. Im Bereich der Digitalisierung arbeiten wir mit Hochdruck, und auch die Prävention wollen wir stärken. Die Pandemie hat gezeigt, wie wichtig und effektiv Präventionsmassnahmen wie beispielsweise Hygieneregeln, Abstandhalten, Maskentragen und Impfen sind. Sie hat zudem die Wichtigkeit des «One Health»-Ansatzes deutlich gemacht, da es sich bei Sars-CoV-2 um eine Zoonose handelt – Krankheiten, die zwischen Tier und Mensch übertragbar sind. Wovon bei Sars-CoV-2 aktuell zumindest ausgegangen wird.
Mein Amtsantritt während der Pandemie hat mir auf beeindruckende Weise gezeigt, wie motiviert und in welch hoher Qualität die Mitarbeitenden des BAG ihre Arbeit auch unter hohem Druck machen. Ausserdem gestaltet sich die Zusammenarbeit mit anderen Verwaltungseinheiten, den Kantonen sowie Akteuren aus der Privatwirtschaft unkompliziert und äusserst fruchtbar. Wenn wir diesen Umgang weiter beibehalten können, bin ich überzeugt, dass wir die künftigen Herausforderungen im Gesundheitsbereich erfolgreich meistern werden.

Inwieweit könnte Covid-19 eine Chance sein im Kampf gegen Antibiotikaresistenz?
Die Covid-19-Pandemie demonstriert uns, welche einschneidenden Konsequenzen Zoonosen in allen Lebensbereichen rund um den Globus haben können. Zudem lässt sich aus den Erfahrungen mit der Covid-19-Krise folgern, dass Gesundheit in einem ganzheitlichen Kontext betrachtet und insbesondere gefördert werden muss, um künftig gefährlichen Formen von Zoonosen adäquat zu begegnen, und um das Risiko solcher Krankheiten zu reduzieren. Insofern ist die Strategie StAR gut aufgestellt. Ausserdem könnte sie generell von der erhöhten gesellschaftlichen Sensibilität für Gesundheitsthemen in Bezug auf die Information der Bevölkerung und dem Willen, entsprechende politische Entscheide zu treffen, profitieren.

Letzte Änderung 11.09.2023

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