Sind wir auf die stille Pandemie der Antibiotikaresistenzen vorbereitet?

Im Schatten von Covid-19 breiten sich Antibiotikaresistenzen weltweit weiter aus. Die Entwicklung neuer Antibiotika könnte zur Lösung des Problems beitragen – aber genügen die bisherigen Anstrengungen? Diese Frage diskutierten Expertinnen und Experten auf Einladung von GARDP, einer gemeinnützigen Organisation, die neue Antibiotika entwickeln und auf den Markt bringen will.

«Besser wir wären es», so die prägnante Antwort von Manica Balasegaram, dem Exekutivdirektor der Global Antibiotic Research & Development Partnership (GARDP), auf die Titelfrage dieses Beitrages. Bei einem High-Level Event in Genf diskutierten Expertinnen und Experten aus der Medizin, der Finanzwirtschaft und der Bundesverwaltung die Parallelen zwischen der Bekämpfung von Covid-19 und antibiotikaresistenten Infektionen und suchten nach Lösungsansätzen für eine beschleunigte Entwicklung neuer Antibiotika.

«Niemand ist in Sicherheit, bevor alle in Sicherheit sind» - dieses im Zuge der Covid-19 Pandemie oft zitierte Bonmot gelte auch für die Bekämpfung von Antibiotikaresistenzen, so Andrea Arz de Falco, Vizedirektorin des Bundesamts für Gesundheit (BAG), während ihrer Eröffnungsrede der Veranstaltung. Internationale Kooperation ist deswegen auch bei der Bekämpfung von Antibiotikaresistenzen sehr wichtig, denn diese machen nicht an Grenzen halt. Antibiotikaresistente Infektionen werden auch als stille Pandemie bezeichnet, da die Resistenzraten in den letzten Dekaden stetig gestiegen sind. Die Resistenzgene können sich zwischen Tieren, Menschen und Umwelt bewegen. Bei der Bekämpfung dieser stillen Pandemie ist daher der One Health-Ansatz von grösster Bedeutung, wobei verschiedene betroffene Sektoren wie Humanmedizin, Veterinärmedizin, Landwirtschaft und Umwelt gemeinsam Lösungen erarbeiten und umsetzen.

Eine weitere Parallele zur Covid-19 Pandemie: Durch Forschung und Entwicklung können wir globale Gesundheitsprobleme schneller in den Griff bekommen. Im Fall der Antibiotikaresistenzen sollte die Weltgemeinschaft hierbei nicht sehenden Auges zuwarten, bis es zu einer tatsächlichen Pandemie kommt, sondern bereits jetzt gezielt in die Entwicklung neuer Antibiotika investieren.

Genau hier setzt GARDP an: Die Organisation entwickelt neue Antibiotika und macht diese weltweit verfügbar. Das BAG unterstützt GARDP deshalb im Rahmen der Strategie Antibiotikaresistenzen (StAR). GARDP hat sich zum Ziel gesetzt, bis 2025 fünf neue Antibiotika gegen resistente Erreger auf den Markt zu bringen - ein ambitioniertes Ziel in einem Bereich, in dem in den letzten Jahrzehnten kaum neue Medikamente auf den Markt gekommen sind. Der Fokus liegt dabei auf jenen Infektionen, die schon heute in vielen Ländern schwierig behandelbar sind: Sexuell übertragbare Krankheiten wie Gonorrhoe, Blutvergiftungen bei Neugeborenen, und multiresistente Infektionen bei Hospitalisierten. Wichtiger Bestandteil der Arbeit von GARDP ist es, die entwickelten Antibiotika auch in ärmeren Ländern verfügbar zu machen, denn im globalen Süden ist die Krankheitslast am höchsten. Hier stirbt bereits heute ein grosser Teil der weltweit jährlich 700'000 Todesopfer infolge einer Infektion mit resistenten Bakterien.

GARDP wird im Moment hauptsächlich von verschiedenen Regierungen finanziert. Neu gehört zu den Unterstützern auch der Kanton Genf, wie Regierungsrätin Nathalie Fontanet während des High-Level Events verkünden konnte. Über die Dringlichkeit, Lösungsansätze wie GARDP ausreichend zu finanzieren, waren sich die Diskussionsteilnehmerinnen und -teilnehmer* einig. Betont wurde dabei die Wichtigkeit von öffentlich-privaten Partnerschaften. Denn neue Antibiotika sind ein wichtiger Bestandteil im Kampf gegen die stille Pandemie der Antibiotikaresistenzen – in der Schweiz und weltweit. Noch allerdings ist die Pipeline der aktuell in Entwicklung befindlichen Antibiotika nicht ausreichend gefüllt.

* Diskussionsteilnehmende:
- Manica Balasegaram, Executive Director, GARDP
- Melchior de Muralt, Co-Founder, BlueOrchard
- Bertrand Levrat, Director-General, Geneva University Hospitals
- Enrichetta Placella, Deputy Head of Global Program Health, Swiss Agency for Development and Cooperation

Letzte Änderung 11.09.2023

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Bild ADF from Nicholas Peart_GARDP

Andrea Arz de Falco, Vizedirektorin des BAG, bei ihrer Eröffnungsrede (Foto: Nicholas Peart/GARDP)

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